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Erzähler und Chronist: J. Frank Dobie and Tales of Texas

Texas ist nicht sehr alt, aber trotzdem ist der Bundesstaat reich an Geschichten. Die Geschichte des Landes ist interessant, aber die Geschichten, die eine Mischung aus Wahrheit und Übertreibung sind, klären oft den geschichtlichen Hintergrund mehr als eine trockene, historische Auslegung. Das Erzählen von Geschichten hatte einen besonderen Platz in dem Westen, und Geschichten dienten als Unterhaltung und als Lehrerzählung zugleich.

Die meisten Erzählungen waren nicht weit verbreitet, und wir verdanken der Mühe einiger Folklorist, die die Erzählungen gesammelt hatten. J. Frank Dobie beschrieb in mehr als 20 Bücher das Leben auf dem Frontier, und er zeigte, dass man die alten Erzählungen und Traditionen noch bewahren sollte, obwohl die Politik und Rassenbeziehungen Texas` dringend reformiert werden mussten. Seine Bücher verkauften sich gut, und die Erzählungen wurden immer mehr einen Teil der texanischen Geschichte. Dobie hatte an der Universität of Texas eine feste Lehrstelle, aber machte in der 40er Jahren im Ausland längere Aufenthalten. Die führenden Politiker schätzten seine Kritik der politischen Lage nicht, die von konservativen Demokraten beherrscht wurde, und er wurde durch politischen Machenschaften gekündigt. Er blieb noch eine weitere zwanzig Jahren in der Schreibkunst tätig, und obwohl er seine Lehrstelle verlor, ist seine Arbeit und seine Persönlichkeit immer mit der Universität in Austin verbunden.

Ich schätze viele seiner Bücher, aber mein Lieblingsbuch heisst “Tales of Old Time Texas.” Das Buch ist sehr erzählerisch, und er bewahrt das Gefühl, dass die Worte erweckt hätten, als sie zum ersten mal neben einem Lagerfeuer gesprochen wurden. In dem Vorwort bedauerte er den Verlust, unter dem eine Erzählung leiden könnte, wenn die Erzählung von dem Erzählten ins Gedrückte übertragen werden wird, aber es scheint mir, als ob nichts verlorengegangen war. Als ich als jünger Pfadfinder um das Lagerfeuer saß, hörte ich die Erzählungen mehrmals, den einer der Leiter las fast auf jedem Ausflug mit tief texanischer Stimme eine der Erzählungen laut. Die Geschichte des Südwestens ist noch zu jung, um die Entwicklung weit verbreiteter Sagen zuzulassen, aber einige Erzählungen haben eine sagenhafte Form, in der übernatürliche Kräfte eingreifen, um die Gutes zu belohnen und Böses zu bestrafen. Die Erzählungen beschrieben das fast mythologisierte Leben vieler Texaner wie San Bass, Bigfoot Wallace und Jim Bowie. Jahrelang träumte ich von dem Schatz der San Saba Mine, den Sam Bowie entdeckt sollte, bevor er unter Beschuss von Comanche ihn wieder verstecken mussten. Nach der Handlung der Erzählung ist der Schatz noch in der Nähe von Menard zu finden, aber so weit ich weiss, hat niemand ihn noch entdeckt.

Ein gutes Bespiel der Erzählkunst ist die dritte Erzählung, “The Dream That Saved Willbarger.” Die Handlung der Geschichte fand in der Hügellandschaft statt, die südöstlich der heutigen Stadt Austin liegt. Josiah Willbarger was im frühjahr 1830 mit seiner Familie von Missouri nach Texas gezogen, und hatte ein Haus nahe der Colorado River gebaut. Im Frühling machten er und vier der Nachbarmänner gerade eine Erkundigungsreise weiter nach Süden, als die gegen Sonnenuntergang von einigen Comanchen angegriffen wurden. Sie suchten hinter einigen kleinen Bäume Deckung, und versuchten mit ihnen eigenen Gewehren Feuer zu geben. Sie waren weit unterliegen und nachdem drei Männer tödlich getroffen worden waren, flohen die anderen zwei zur Familie Hornsby, die weit weg wohnten. Als sie die verwundeten Männer zurückließen, sahen sie, wie mehr als fünfzehn Krieger Messer zogen, um die Gefallenen zu skalpieren.

Im Hause Hornsbys hielten die Männer wach, als Ms. Hornsby und die Kinder schliefen. Nach einer Weile stand Ms. Hornsby auf und kam zu Mr. Hornsby und den anderen, und sagte, dass sie weisst bestimmt, dass Josiah Willbarger noch am Leben wäre. Sie erklärte, dass in Traum eine Frau zu ihr kam und sagte, dass er lebte. Die Männer erzählten die grausame Geschehnisse, als die Toten überfallen wurden, und Ms. Hornsby ging wieder schlafen. Nach einigen Minuten kam die zurück und beschrieb, wie Willbarger unter einem Baum schwer verwundet saß, aber sie beteuerte wieder, dass er noch lebte. Die Männer versprochen, nach Sonnenaufgang nach Willbarger zu suchen. Gegen morgen kam Ms. Hornsby wieder und hielten drei Laken. Sie sagte, zwei waren für die Toten und das andere sollte um die Wunden Willbargers gebunden werden. Nach einer kurzen Suche fanden sie die zwei Toten, und unter einem Baum saß Wilbarger mit Blut verkrusteten Kopf und Oberkörper. Alle drei samt der noch Lebende waren skalpiert worden. Willbarger erzählte, wie ein Schuss ihm in den Nacken getroffen hatte, und dadurch wurde er kurzzeitig gelähmt. Als die Krieger ihm die Kopfhaut abgerissen hatte, hatte er nicht gezuckt, aber nur „betäubenden Donner“ gehört. Die Krieger hatten die Kehlen der anderen Männer geschnitten, aber wegen des Nacken Schusses hatten sie ihn für Tot gehalten. Später erfuhr Willbarger, dass seine Schwester an jenem Abend in Missouri gestorben war, and alle vermuteten, dass sie die Besucherin gewesen wäre, die Ms. Hornsby über seinen Zustand berichtet hatte.

In einem weiteren Kapitel „Panther´s Scream“ schrieb Dobie, wie die Gewalt der Natur meistens mehr furchterregend sei, als die übernatürlichen Kräfte. Bis in zwanziger Jahren des letzen Jahrhunderts war der Panther noch im ganz Texas weit verbreitet, und fast alle Familien ihre eigenen Panther Erzählungen entwickelten. Panther sind sehr geduldig, und lauern lang, bevor sie Jagd und Angriff beginnen. Der Panther kann unbeobachtet beobachten, aber wenn er schreit, ist das Geläut erschreckender als das aller anderen Großkatzen. Der Schrei gleicht der Warnung eines verdeckten Gegners, der irgendwann angreifen könnte, und es scheint, als ob er spielen will, ehe er etwas angreift. Unter anderen Erzählungen erzählte er die Geschichte eines hungrigen Mannes, der gegen Sonnenuntergang das letzte Geschoss seiner Schrottflinte abfeuerte, um sechs schlafende Truthähne aus ihren Platz ihm Baum zu erbeuten. Plötzlich hörte er den Schrei eines Panthers, und erschrocken machte er sich schnell auf dem Weg zu seinem Pferd zurück, das er am Ende eines schmalen Pfades angebunden hatte. Die große Vögel waren schwer, und unter dem Last konnte nicht schnell gehen. Er hörte ein leises Geraschel im Gebüsch und fühlte die Augen des Tieres. Aus Angst und Verzweiflung warf er hinter ihn her eine der Truthähne, die er auf dem Rücken trug. Er spürte, etwas in die Richtung des toten Vogels springen. Danach brach noch ein Schrei durch die Luft, aber diesmal von der anderen Seite des Pfades. Er warf noch eine Truthahn weg, und nach jedem Wurf kam immer wieder ein Geraschel gefolgt von einem Schrei. Er warf den letzten Vogel weg, als er sein Pferd sah, das gerade heftig and die Leinen zog. Er sprang auf sein Pferd und galoppierte in die Dunkelheit, während noch ein Schrei ihm entgegen kam.

Noch andere Quellen könnten dem Leser ein breiteres Verständnis texanischer Geschichte vermitteln, aber sie Bücher von J. Frank Dobie schaffen ein Gefühl für die Landschaft und Folklore, die anderen Büchern fehlen.—Jason Fabianke

 

 

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Highway 77: My „Mother Road“

Alle Verehrer erzählender Prosa und guter Reiseberichte kennen schon Artikel und Bücher von Wolfgang Büscher, und die vielen Auszeichnungen machen Rezensionen seiner Bücher fast überflüssig. Das 2011 veröffentlichte Buch Hartland: zu Fuß durch Amerika ist keine Ausnahme, und das Buch erfüllt alle Erwartungen, die mit dem Erfolg seiner frühere Werke begannen.

Wie in seinem früheren Werken fehlt seinem Schreiben der Jargon der Kulturwissenschaften, der oft in Reiseberichten den Inhalt verdeckt. Die Erlebnisse Büschers waren sicher nicht alle glücklich, und seine Erleichterung ist spürbar, wenn er sich von eineigen Orten und Leuten losreisst. Sonderbare Gestalten, die er im Buche meistens durch Gleichnisse darstellt, tauchen oft während seiner Reise auf, und der Autor erinnert den Leser daran, dass das Merkwürdige und das Ungeschickte häufiger vorkommen, als wir tagtäglich meinen. Wir verkennen vieles, was in unser Vorstellungsbild nicht hineinpasst, und übersehen Leute, die oft eine Mehrheit der Gesellschaft bilden. Ein Autor wie Büscher zeigt uns, wie sehr uns das Sonderbare einprägt.

Als Mensch begegnet Büscher seinen Mitmenschen und der Landschaft, und in seinem Schreiben betont er stets das Menschliche. Wenn der Leser den Buchdeckel schliesst, lässt der Mitreisende mit einer tiefen Kenntnis der Leute und ihre Umwelt. Büscher schafft mittels seiner Beschreibungen eine Umwelt, die noch breiter ist als die Landschaft, durch die er geht und fährt, denn er fügt den fast unendlich weiten Raum des Westens eine geschichtlichen Dimension hinzu. Prinz zu Wied, Knut Hamsun, Black Elk, Sitting Bull und Crazy Horse begleiten ihn auf der nördlichen Strecke der Reise, und als Leser treffen wir uns im Süden mit Ferdinand Coronado, Ronald Reagan, John Kennedy, David Koresh und Richard King. Die historische Figuren werden manchmal von den Leuten verkörpert, die Büscher unterwegs kennenlernt, aber öfters stehen die modernen Bewohner des Westens im Gegensatz zu den historischen Bildern.

Durch das Buch erfährt der Leser Näheres über ein Stück des Westens, aber wie schön wäre es, wenn wir seine erste Fassung sehen könnten, bevor er einige Teile wegen der Länge auslassen musste. Auf so einer langen Reise kann man nicht von allen Erlebnissen berichten, und man muss sich dafür entscheiden, welche in das Gesamtbild des Buchs einpassen. Ich gebe zu, dass als Texaner ich mehr über Texas hätte schreiben wollen, und ich noch einige Städte anders gesehen hätte. Büscher schreib, Waco ist mit Koresh und den Branch Davidians ewig verbunden, und weil ich in Waco einige Jahre lebte, sehe ich die Stadt ganz anders als Büscher. Waco hat wirklich eine schöne Seite, die nichts mit der Stätte der niedergebrannte Festung der Davidians zu tun hat, eigentlich ein Farm mit mehreren Gebäuden, die eigentlich weit ausserhalb der Stadt waren.

Besser gesagt, Waco ist Museums- und Universitätsstadt, und die Stadt hat eine Geschichte, die, wie mit allen Geschichten, gleichzeitig glücklich und traurig ist. Wenn ich an Waco denkte, als Schauplatz von Gewalt und Brutalität, denke ich zuerst an den 1916 begangenen Mord und die Verstümmelung von Jesse Washington, der vor tausenden von einem Mob öffentlich hingerichtet und verbrannt wurde, bevor sein Kadaver zehn Meilen hinter einem Wagen nach Robinson verschleppt wurde, eine Stadt, in der sein Kopf und Oberköper drei Wochen zur Schau gestellt wurde. Die Waco der Lynch-Morde existiert nicht mehr, und die Waco der Branch Davidians hat es überhaupt nie gegeben.

Ich las Hartland vor einem Jahr, aber ich konnte keine Rezension schreiben, die die Ausführlichkeit seines Buches traf. Ich muss zugeben, dass ich nicht ein wenig Neid spürte, als ich das Buch zum ersten Mal las. Ich hatte das Buch bestellt, weil in der Beschreibung stand, dass Highway 77 der Schauplatz seiner Reise war. Ich freute mich auf die Lieferung des Buchs, denn Highway 77 ist mein “Mother Road, eine Bezeichnung, die Route 66 verleiht wurde. Neben dieser Straße fing meine persönliche Geschichte an. Sommers arbeitete ich auf Farms und Ranches, die in der Nähe eines Städtchen lagen, das von Highway 77 durchkreuzt war. Ich kannte die Leute des Städtchen und das Städtchen selbst aus verschiedene Dimensionen–als Menschen, Raum und Geschichte, und wenn man einen Platz und dessen Bewohner durchaus so gut kennt, fühlt man sich stärker und bereit, die Kunst des Menschenkennens an einem anderen Ort zu betreiben. Von dem Platz der Bestärkung aus kann der Bestärkte reisen, neues entdecken, mit sich selbst konfrontiert werden und sogar scheitern, ohne besiegt zu werden. Unter der texanischen Sonne schwitzend, träumte ich von der Erhaltung meiner allgemeinen und formellen Bildung und vom Reisen in die weite Welt, eine Welt, deren Tor Highway 77 war.

Büscher hatte meine Reise unternommen, obwohl ich die Reise anders gemacht hätte. Ich lese gern seine Werke, weil wir unsere Mitmenschen ähnlich betrachten und schätzen. Das Schreiben Büschers ist offensichtlich meinem weit überlegen, und ich, kleiner Blogger, würde nie behaupten, ich könnte seinen Erfolg nahe kommen. Trotz des Umstands, dass ich als Nichtmuttersprachler versuche, auf Deutsch meine Welt zu beschreiben, halte ich die Werke Büschers für einen Vorbild und hohen Maßstab der Schreibkunst. Begleitet von Fehlern in Grammatik und Wortschatz erkundige ich noch die Welt, die in meinem Leben mit Highway 77 anfing, und vielleicht könnte ich eines Tages einige Teile von Hartland ergänzen, wenngleich es schon ein vollendetes, erfolgreiches Buch ist, das ich allen Amerikakennern höchstens empfehle.—Jason Fabianke

Wolfgang Bücher: „Hartland“ zu Fuß durch Amerika. Rowohlt Verlag, Berlin 2011. 300 S., geb., 19,95 [Euro].

Ich bestelle bei Global Books, portofrei in die USA ab 75 Euro: http://www.globalbooks.de

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