„Last Call!“

Schon beim Einstellen einen Country-Musiksender wird es einem klar, dass Texaner und Einwohner anderen Bundesstaaten irgendwie in gespanntem Verhältnis zu Alkohol stehen. Während Wienerlieder den Wein besingen, erwähnen Country-Lieder viele verschiedene Getränke und oft bestimmte Marken, wie zB. „Crown“ oder „Jose Cuervo.“ Ich habe keine Ahnung, ob Getränkehersteller für solche Werbung zahlen müssen, denn meiner Meinung nach könnten manche Lieder den Wert einer Marke eher schaden als verbessern. Country-Musik-Sänger wählen oft Themen, in denen Alkohol und dessen übermäßiges Konsum als ein Freizeitvergnügen oder als eine Ablenkung von täglichen Sorgen in der Vordergrund stehen. „Der König von Country,“ Hank Williams, sang 1950 von der Träne, die in sein Bier gefallen ist, weil er seine verlorene Leibe nicht vergessen konnte. Er erklärte den Zuhörern, das er halt noch weiter trinke, bis er in einen „versteinerten“ Zustand fälle, und dann vielleicht würde seine Tränen austrocknen. In einem Hit des vorigen Jahres sang Dirks Bentley in erster Person die Geschichte eines Mannes, der seine Hochzeitsreise alleine antreten musste, nachdem seine zukünftige Braut ihn vor dem Altar gelassen hatte. Im Flugzeug Richtung Karibik bestellte er ein Getränk nach dem anderen, und um seinen Kummer mit den Mitreisenden zu teilen, kaufte er allen Passagieren mehrere Runden, bis sich die Stimmung erhob.
Die meisten geniessen aber verantwortungsvoll Alkohol, aber die Herstellung und den Verkauf wird streng durch mehrere Aufsichtsbehörden reguliert. Die Regulierung alkoholischer Getränke hat eine lange Geschichte, und bis der ersten Kampagne gegen Alkohol, die nach 1840 angefangen hatte, tranken US-Amerikaner sehr viel—eine Menge, die mehr als zwanzig Liter Spiritosen pro Kopf entsprochen hatte. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war Alkohol wieder das Ziel einer neuen Reformbewegung, und der übermäßige Konsum von Alkohol wurde als Maßstab eingesetzt, mit dem man den echten Amerikaner von dem neuen Einwanderer unterscheiden sollte. Vor dem ersten Weltkrieg hatten einige Staaten im Westen und im Süden schon entweder einen Alkoholverbot oder eine Reihe von Einschränkungen eingeführt, mit der Absicht dem Verzehren einen Riegel vorzuschieben. Damals bildeten die Bewohner der ländlichen Gebieten eine stärkere Vertretung im Kongress, und durch ihren Einfluss fanden sie die nötige Unterstützung, um den 18. Zusatzartikel ratifizieren zu lassen, der angeblich die Sünde und Korruption der Städte und ihrer „Fremden“ reformieren lassen sollte. Die Verfassungsänderung setzte die Herstellung und den Verkauf alkoholhaltigen Getränke unter gesetzlichen Verbot. Das Gesetz ließ das durchschnittlichen Konsum deutlich senken, aber gleichzeitig entstanden unerwartete Nebenwirkungen. Gewalt und Kriminalität erreichten einen neuen Ausmaß, als organisierte Bände um den illegalen Markt kämpften, und viele Leute verachteten das Gesetz und trank weiter die illegalen Waren. Die Bekämpfung illegalen alkoholhaltigen Getränke kostete viel Zeit und Geld, und der Umsatz und der Markt für solche Produkte waren trotzdem ständig gestiegen.
Der Alkoholverbot begann 1919, im selben Jahr als das Ende des Ersten Weltkrieges. Die Landwirtschaft hatte während des Krieges Rekorderträge erreicht, die als Folge kriegsbedingten Investitionen in Ackerland und Mechanisierung zu verstehen sind, und kurz darauf trafen die neu errichteten Zölle in der Nachkriegszeit die Bauer sehr hart. Die Zölle hätten die nationale Ökonomie gegen ungleiche Konkurrenz schützen sollten, aber die bitterschweren Folgen waren die sinkende Nachfrage und die stürzenden Preisen. In kürzester Zeit erlebten die Landwirtschaft eine Finanzkrise, die die anderen Teile des Landes nicht bis nach dem Börsenkrach betraf. Augenzeugen berichten von Güterzügen, die vollbeladen mit Säcken Zucker in Kleinstädten halt machten. Pferdewagen kamen von den umliegenden Farms, und vollgestapelt mit Zucker kehrten sie wieder aufs Land. Neben den Flüssen und in dichten Hainen wurden die Häufen unverkauftes Getreides in Alkohol verwandelt. Aus wirtschaftlicher Sicht hatten diese „Unternehmer“ den Wert der unverkäuflichen Agrarprodukte erhöht, damit sie auf den Markt gebracht werden konnten, aber laut des Gesetzes waren diese Schnapsbrenner Kriminellen. Die meisten Brauereien machten zu, und obwohl einige durch die Herstellung von Limonade und Alkoholfreies überlebten, blieb der Angebot illegales Bier sehr gering. Wegen hohe Umsätze und niedrige Investitionskosten dominierte die Herstellung von billigen Äthanol den Schwarzmarkt, und diejenigen, die mehr zahlen wollten, genossen importierte Waren.
Nach vier Jahren der Weltwirtschaftskrise hob der 21. Zusatzartikel den 18. auf, und die einzelnen Bundesstaaten wurden die Mehrheit der Aufsicht über die Herstellung und Verkauf alkoholischer Getränke gelassen. Die Bundesstaaten handelten nach unterschiedlichen Weisen, und während einige den Verkauf verstaatlichten, ließen einige Konkurrenz und der freie Markt die Richtung bestimmen. Eine Tatsache war allen klar—eine starke Nachfrage existierte. Im Vergleich mit anderen Bundesstaaten schlug Texas auf einen Mittelweg, auch wenn es nach einigen Ansichten nicht marktorientiert schien. Bis in den siebziger Jahren konnten keine Spirituosen in Bars oder Restaurants verkauft werden, und die Gäste konnten ihren Alkohol mitbringen, wenn er einen „Setup“ kaufte, der aus Eiswürfeln, Soda, Cola, oder etwas ähnlichem bestand. Noch heute dürfen die 1.216 Städte, die Selbstverwaltungsrechte haben, und die 254 Verwaltungsbezirke (Counties) entscheiden, ob der Verkauf von alkoholhaltigen Getränken in ihren Gemeinden zugelassen wird. Oft werden nur Bier und Wein zugelassen, und der Verkauf von stark alkoholischen Getränken werden noch untersagt. In die „trockenen“ oder „halbtrockenen“ Städte oder Bezirke darf man zum Selbstverzehr Getränke mitbringen, aber wenn man Waren in hohen Mengen mitbringt, könnte man des Verbrechen „Bootlegging“ bezichtigt werden. Bevor Lubbock, eine Stadt in West-Texas, den Verkauf erlaubte, berichtete die Ortszeitung regelmäßig von den Festnahmen, die sich die Beamten der texanischen Alkoholaufsichtsbehörde (TABC) fast jedes Wochenende wegen „Bootlegging“ unterzogen hatten.
In den Supermarktregalen stehen nur Wein und Bier in Angebot, denn Spirituosen dürfen nur in Schnapsläden, oder „Liquor Stores,“ verkauft werden, die immer Sonntags unter Öffnungsverbot stehen. Verkaufszeiten von alkoholischen Getränken sind auch in Supermärkten und normalen Läden geregelt, und der Verkauf ist nur von 7 bis 24 Uhr erlaubt. Am Sonntag wird die Verkaufszeiten eingeschränkt, und der Verkauf ist nur von 12 bis 24 Uhr gestattet. Die Ausschankszeiten sind gesetzlich geregelt, und Lokale müssen eine Lizenz erwerben um Bier und Wein auszuschenken und noch eine ist nötig um Hochprozentiges oder Mischgetränke zu servieren. Die Aufsichtsbehörde kontrolliert nicht nur den Verkauf und Herstellung, sondern auch Handel und Lieferung. Alle alkoholhaltige Getränke müssen durch einen lizenzierten Zwischenhändler an Läden und Lokale geliefert werden, und Hersteller werden nicht erlaubt ihre eigenen Waren an Kunden zu verkaufen. Die wenigen Ausnahmen sind die kleinen Brauereien und Brennereien, den wegen ihres kleineren Herstellungsquote als „micro“ oder „craft“ eine Sonderregelung gelten. Erst seit den letzten einigen Jahren darf die zunehmende Zahl der Winzer und Weinkeller ihren Wein ohne Zwischenhändler verkaufen.
In den meisten Städten und Gemeinden fällt der Konsum von Alkohol ausserhalb von Lokalen und der Einfriedung auch auf die Liste des Verbotenen, aber wenn Sie Durst haben, werden Sie in Texas nicht zu sehr lange aushalten müssen. Ich würde einen Besuch bei Floore´s Country Store in Helotes empfehlen. Vielleicht hören Sie ein Lied von Dirks Bentley oder Hank. Tränen in Ihrem Bier sind nicht nötig. Wenn man volljährig ist, dann darf man dem Paragraphendschungel zum Trotz zugreifen. Zum Wohl!—Jason Fabianke