Tag-Archiv | Lamesa

The Last Picture Show (until next weekend)

Fast alle Leser kennen den Roman „Die letzte Vorstellung,“ den der amerikanische Autor Larry McMurtry 1966 veröffentlichte, und in den wir die Folgen erfahren, als in einer texanischen Kleinstadt das innere Verlangen nach Abwechslung und den gesellschaftlichen Drang nach Anständigkeit und Wohlstand die alte Ordnung brachen. Das Kino hatte die große Welt in das kleine Dorf gebracht, aber die Änderungen der fünfziger Jahren zeigten, dass die Welt zu groß für die Geheimnisse der kleinen Kommune war. Die Einwohner, die sich so sehr den Druck der Erwartungen der kleinstädtischen Mitbewohner nachgegeben hatten, ersehnten sich dann einen erweiterten Raum, und das Auto halfen ihnen dabei, die Vorstellung von Raum und Entfernung neu zu gestalten.

In den fünfziger Jahren eroberte das Auto das ganze Land, und fast nichts blieb unversehrt. Das Auto war schon seit den zwanziger Jahren ein fester Teil der Ökonomie, und sogar in der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahren fuhren die armen Okies auf ihren langen Treck, als sie ein neues Leben in Kalifornien suchten. Die Bahn war aber das Beförderungsmittel, das das große Land zusammen hielt, und die Bahn brachten die Männer wieder nach Hause, die in den Krieg dienen mussten. In den vierziger Jahren besangen die Big Bands die berühmten Bahnlinien in Titeln wie „Pennsylvania 6-500“ und „Chattanooga Choo-choo,“ aber in der Nachkriegszeit wurde das Auto im Mittelpunkt der amerikanischen Kultur, als viele Leute lieber von dem „Open Road“ träumten. Eines der berühmtesten Lieder war „Get You Kicks on Route 66,“ das die Fernstraße verewigte, der viele der Dust-Bowl-Flüchtlinge nach Westen gefolgt hatte, aber jetzt symbolisierte die Straße Freiheit und Freizeit statt Zwang und Armut.

Die Verwandlung verwirklichten sich schnell. Die Gesamtzahl der Bahnstrecken schrumpfte bis zu Dreiviertel des Höchststands der Vorkriegszeit, und die US-Regierung investierte Milliarden in den Bau des Interstate-Highway-Systems. Alle wollten Fahren. Die Spazierfahrt ersetzte den sonntäglichen Spaziergang. Sie fuhren zur Arbeit, zur Schule und zu den neuen Supermärkten. Einige fuhren nur um die Ecke, und plötzlich wurde das Gehen irgendwie verdächtig. Die Städte breiteten sich aus, als Fahrer die eigenen vier Wände für ihre eigenen vier Räder suchten. Manche Menschen verbrachten mehr Zeit zu Hause, und wenn sie in der Öffentlichkeit waren, fanden sie sich öfters in ihren Autos.

Die Städte und die Wirtschaft wurden gezwungen, sich an das Auto anzupassen. In einem Drive-In-Lokal konnte man am Auto bedient werden, und viele meinten, das Schöne darin war, dass man gleichzeitig Öffentlichkeit und Privatsphäre genießen konnte. Der Kinobesuch war ein gesellschaftliches Ereignis geworden, das nur ganz kurz von der Dunkelheit unterbrochen worden war, und nach er Vorstellung waren alle durch die Straße geschlendert, um einzukaufen, ehe sie nach Hause gingen. Das Drive-In-Kino ließ der Kinobesucher ihre Gesellschaft genau auswählen, und ohne Platzanweiser schaffte es eine Privatsphäre, die noch privater war, als vor dem Fernseher zu Hause. Man fuhr auf den Parkplatz des Kinos, und nachdem man einen Parkplatz aussuchte, kurbelte man die Fensterscheibe dreiviertelwegs unter, um den Sprecher von dem Pfosten an die Fensterscheibe zu hängen. Dann beginnt die Vorstellung.

Die Mehrheit der Drive-In-Kinos hat in den achtziger Jahren geschlossen, als immer mehre Menschen lieber zu Hause blieben, um das Angebot Kabelsender anzusehen. Die Freiluftkinos versuchten, sich noch zeitgemäß zu erhalten, in dem sie Pfosten und Sprecher beseitigten und neue Projektoren anschafften. Anstatt den Sprecher an die Fensterscheibe zu hängen, mussten die Besucher nur das Autoradio zu der richtigen Frequenz stellen, und der Ton wurde mittels eines Kleinleistungssenders in das Auto übertragen. Als ich jünger war, besuchte ich ab und zu in San Antonio das Mission Drive In, aber im Sommer machten die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit Südtexas eine doppelte Vorstellung ziemlich unangenehm. Auf dem Gelände des Kinos stehen seit zehn Jahren eine Bibliothek und ein Kulturzentrum.

Das Drive-In-Kino ist nicht ausgestorben, sondern lebt noch, und eines der besten ist das Sky-vue Drive In Theatre in Lamesa in Texas. Lamesa liegt eine Stunde nördlich von Midland-Odessa, und war der Geburtsort der Historiker V.O. Keys. Die Kleinstadt ist die Verwaltungsstadt von Dawson County, und die regionale Ökonomie wird von Viehzucht und Baumwollwirtschaft geprägt. Lamesa hatte früher noch ein älteres Kino, das Tower, dessen Betreiber das Geschäft vor vielen Jahren aufgegeben hatten, aber jetzt sind das Drive-In-Kino das neuere Movieland Theater die einzigen. Sky-vue eröffnete 1948, und seitdem gehört für viele Einwohner der Gegend ein Kinobesuch zum Wochenende. Obwohl das wirtschaftliche Existenz des Drive-In-Kino auf Tradition und Nostalgie gebaut wird, haben Jung und Alt an die Vorstellungen Spaß. Der mit Kies bedeckte Parkplatz ist sehr groß, und von jedem Platz aus ist die Leinwand, eigentlich aus weiß gestrichenen Wellenblech, zu sehen. Viele Besucher parken ihre Lastwagen rückwärts ein, damit sie auf der Pritsche sitzen können, und andere sitzen auf Klappstühlen neben ihrem Auto. Neben ihnen sehend sind bunte Kühlkisten wie improvisierte Wohnzimmermöbel, die mitgebrachte Essen und Getränke enthalten. Wegen der geringen Luftfeuchtigkeit sind die Sommernächte kühl, aber die meisten Wohnzimmer sind nicht so staubig wie der Parkplatz.

Der Eintritt kostet fünf Dollar pro Person, aber alle Vorstellungen sind doppelte Vorstellungen. In den Anfangsjahren bezahlte man pro Auto, und deswegen versuchte junge Leute so viele wie möglich in das Auto und sogar in den Heckraum einzupferchen. Vor dem großen Leinwand ist ein Spielplatz, der während der Vorstellung fast immer voll ist, und über den Spielplatz wird der Film von einem kleinen Gebäude neben der Snack-Bar projiziert. In der Snack-Bar wird die gewöhnliche Assortiment von Hamburgers, Hot Dogs, Pommes frites und andere gebratene Snacks angeboten, aber auf der Speisekart ist eine Besonderheit, die Chihuahua. Das Gericht, das 1951 erfunden wurde, ist kein Hündchen, sondern eine Mischung zwischen Sandwich und Taco. Die Chihuahua besteht aus zwei knusprig gebratenen Tortillas, Weißkohl, Käseaufstrich eine eingemachte Jalapeno-Chile und gewürztem Mahlfleisch, und obwohl die Speise ungewöhnlich ist, werden hunderte jeden Abend verkauft. Die Küche der Snack-Bar ist so groß wie die Küche eines Restaurants, aber nicht viele Sitzplätze sind vorhanden, weil die meisten Gäste das Essen mitnehmen. Es scheint, als ob die meisten an den Tisch sitzenden Gäste Stammkunden sind, denn sie sitzen und diskutieren die Neuigkeiten mit dem Eigentümer und einigen Arbeitern. Das Kino ist freitags, samstags, und sonntags auf. Die erste Vorstellung beginnt beim Sonnenuntergang, und die Snack-Bar ist schon um sechs auf. Man darf die Snack-Bar besuchen ohne eine Kinokarte zu kaufen. Komm mal vorbei, finde einen Platz auf der Bank vor der Snack-Bar und genieße den Abend!–Jason Fabianke

20140614-211126-76286058.jpg

20140614-211127-76287628.jpg

20140614-211126-76286852.jpg

20140614-211125-76285245.jpg

20140614-214109-78069896.jpg

20140614-214314-78194594.jpg